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Süßstoff und das erhöhte Diabetesrisiko

Können künstliche Süßungsmittel das Risiko für Diabetes erhöhen?

21. Oktober 2014

Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie warnt, dass künstliche Süßungsmittel das Risiko für die Zuckerkrankheit (Diabetes) entgegen bisheriger Annahmen möglicherweise nicht senken, sondern sogar steigern könnten.

Synthetische Ersatzstoffe für Zucker wie Aspartam und Saccharin übertreffen den Süßgeschmack von Zucker sogar noch und liefern dabei keine Kalorien. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass sie zwangsläufig zu Gewichtsverlust führen oder beim Halten des Gewichts helfen. Vielmehr können sie, indem sie die Darmflora stören, den Blutzuckerspiegel erhöhen und somit das Diabetesrisiko steigern, wie Forschungsergebnisse aus Tierversuchen und an Freiwilligen nahelegen. Folglich betrachtet die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) künstliche Süßungsmittel als ungeeignet zur Gewichtskontrolle oder Gewichtsabnahme.

Die Bevölkerungsmehrheit in Deutschland konsumiert mehr Kalorien, als sie verbraucht, was zu einer zunehmenden Verbreitung von Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes, ehemals als Alterszucker bekannt, führt. "Insbesondere adipöse Personen greifen oft zu synthetischen Süßungsmitteln, um ihre Kalorienzufuhr zu reduzieren", berichtet der Endokrinologe Prof. Dr. Klaus D. Döhler aus Hannover und ergänzt: "Die meisten stellen fest, dass sie unerwarteterweise eher zunehmen als abnehmen." Diese Beobachtung wird laut Prof. Döhler auch durch wissenschaftliche Studien bestätigt. "Durch die Verwendung von Süßstoffen wird kein signifikanter Gewichtsverlust erzielt", erklärt der Experte, "daher werden sie von medizinischem Fachpersonal nicht als Diätmittel empfohlen."

Die Erkenntnis, dass Süßungsmittel den Zuckerstoffwechsel beeinträchtigen, ist neu. Eine kürzlich in Nature (Online-Veröffentlichung am 17. September 2014) publizierte Studie zeigte, dass Mäuse, denen häufig verwendete Süßungsmittel wie Saccharin, Aspartam oder Sucralose im Trinkwasser verabreicht wurden, nach kurzer Zeit im Glukosetoleranztest eine übermäßige Erhöhung ihrer Blutzuckerwerte aufwiesen. Für Prof. Döhler sind dies bedeutsame Ergebnisse: "Wir verwenden den Glukosetoleranztest zur Früherkennung von Typ-2-Diabetes. Ein Anstieg des Blutzuckers könnte daher darauf hindeuten, dass Süßungsmittel die Entstehung der Zuckerkrankheit fördern."

Diese Annahme wird durch die Ergebnisse der laufenden ernährungsphysiologischen Studie Personalized Nutrition Project gestützt, so Prof. Döhler: "Die Studienteilnehmer, die Süßstoffe konsumierten, wogen mehr, zeigten höhere Nüchtern-Blutzuckerwerte und Langzeit-Blutzuckerwerte (HbA1c) und hatten beeinträchtigte Ergebnisse im Glukosetoleranztest."

Die negative Auswirkung der Süßstoffe scheint über eine Modifikation der Darmbakterien zu erfolgen. "Die Süßungsmittel fördern das Wachstum von Darmbakterien, welche die Aufnahme von Zucker und potenziell auch von kurzkettigen Fettsäuren aus dem Darm erhöhen", erläutert DGE-Mediensprecher Prof. Dr. med. Dr. h. c. Helmut Schatz aus Bochum. "Eine regelmäßige Zufuhr von Süßstoffen könnte demnach die Nährstoffverwertung steigern."

Süßstoffe, die nicht nur in "Diät"- oder "Light"-Getränken vorkommen, sondern auch vermehrt Fertigprodukten zugesetzt werden, galten - nach vorübergehenden Bedenken - über Jahrzehnte als harmlos. "Diese Einschätzung kann so nicht mehr aufrechterhalten werden", meint Prof. Schatz. "Übergewichtige Personen, die ihr Körpergewicht mit Süßungsmitteln reduzieren möchten, müssen sich bewusst sein, dass sie gemäß den neuen Forschungsergebnissen möglicherweise ihr Diabetesrisiko sogar erhöhen", fügt er hinzu. Zur Reduktion von Übergewicht sei eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse, mäßigem Zuckerkonsum und einer täglichen Reduzierung um 500 Kilokalorien ratsam. Dies entspreche der aktuellen S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Adipositas, an der auch die DGE beteiligt war, betont Prof. Schatz.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

 

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